Nicole Büsing & Heiko Klaas
Katalog INDEX 15, Kunsthaus Hamburg, 2015
Scanner, Drucker, Faxgeräte, Monitore, Computertürme, endlose Papierbahnen und andere medial besetzte Apparaturen und Materialien repräsentieren die Hardware von Stefan Mildenbergers Arbeiten. Einen Teil der Software hingegen bilden massenmediale Inhalte und Phänomene, die der 1980 im rheinland-pfälzischen Kirn geborene, heute in Hamburg lebende Künstler auf ihre politischen, kulturellen und sozialen Auswirkungen hin untersucht. Dies geschieht durch eine Reihe konzeptioneller und technischer, im Resultat häufig subversiver Transformations- und Übersetzungsprozesse. Den „Rohstoff“ für seine, das Ausgangsmaterial stark verfremdenden Abstraktionen liefern ihm zum Beispiel popkulturelle Rankings der Unterhaltungsindustrie. Das kann eine Liste der 100 erfolgreichsten Filme des 20. Jahrhunderts ebenso sein wie eine Liste aller Musik-Videos, die von MTV zum Video des Jahres gekürt wurden. Einen weiteren zentralen Fundus bildet Celebrity-Fotografie. So collagierte Mildenberger in seiner Fotoserie „Jalousie“ (ab 2010) jeweils eine männliche und eine weibliche Berühmtheit übereinander. Dabei kamen ebenso irritierende wie frappante Paarungen etwa von Michael Jackson und Madonna oder – kunstspezifischer – Marina Abramovic und Damien Hirst, heraus.
Charakteristisch für seine Arbeiten ist es auch, dass er einen Teil der Autorschaft abgibt bzw. an den Zufall, ein anonymes Partizipantenkollektiv oder eben an das Medium selbst mit all seinen Eigenarten und möglichen Fehlerquellen delegiert. Partizipativ angelegt war zum Beispiel die Arbeit „Cadavre Numérique“ (2009). Eine 6,5 Meter lange Papierrolle hing als Endlosschleife in einem modifizierten Faxgerät, das ans Telefonnetz angeschlossen war, und dessen Nummer kommuniziert wurde. Aus den eingehenden Faxsendungen entstand eine palimpsestartige, vom Künstler nicht mehr kontrollierbare Zeichnung. Mit Hilfe von Scanner-Software, die er gemeinsam mit einem Programmierer manipuliert hat, hat Mildenberger seine Abstrahierungsmethoden in den letzten Jahren weiter verfeinert. In der umfangreichen Werkgruppe „SCANTRIFIED MOVIES“ (ab 2011) – sie besteht aus schwarz-weißen Diasec Prints im Format 70 x 100 cm – etwa reduziert er berühmte Kinoklassiker auf vertikale Streifenmuster, die entfernt an Barcodes erinnern.
Studiert hat Stefan Mildenberger an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, unter anderem bei Matt Mullican und Michaela Melián. Doch seine künstlerische Beschäftigung mit elektronischen Medien hat ihre Ursprünge weitaus früher. In einem Künstler-Statement erinnert er sich an das Elektronik-Fachgeschäft seiner Großeltern: „Nach der Schule habe ich dort oft meine Nachmittage verbracht. Umringt von allen möglichen Medien, in Ausstellungsräumen mit Regalen voller Fernsehgeräte und elektronischem Gerät. Sehr früh habe ich angefangen, mich mit diesen Geräten auseinanderzusetzen, habe sie auseinander genommen und verschiedene Teile, Schalter und LEDs wieder zu etwas Neuem zusammengebaut.“ Seine künstlerische DNA, die die das Medienzeitalter charakterisierende „Trias von Ästhetik/Technik/Politik“ (Diedrich Diedrichsen) immer wieder neu verhandelt, wurde demnach erstaunlich früh ausgebildet.
“ Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie leben in Hamburg und Berlin. Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Kunstmarkt.com, Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist Kunstmagazin, Artline, Spiegel online, DARE, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Künstler-Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, www.artlog.net, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse, etc. „